Hunger, Engel & Familie
Appetithäppchen: Dezember 1944. Von ihren Eltern getrennt, bleiben im Konzentrationslager Bergen-Belsen etwa vierzig Kinder zwischen zehn Monaten und sechzehn Jahren zurück. Noch am selben Tag finden sich ihre Namen auf einer Transportliste mit unbekannten Ziel. Ein Transport, der Bergen-Belsen niemals verlassen wird. Hetty Verolme, die das Inferno von Bergen-Belsen als Fünfzehnjährige nur wenige Schritte entfernt von der Baracke Anne Franks überlebt hat, lässt in ihrem Buch eine der bemerkenswertesten, weitgehend unerzählten Geschichten des Holocaust wieder aufleben: Von den anderen als „Ersatzmutter“ akzeptiert, organisiert sie zusammen mit den anderen Kindern und einer polnischen Aufseherin den Überlebenskampf der Gruppe gegen ihre Vernichtung.
Verfasserin: Hetty Esther Verolme wurde 1930 in Belgien geboren. 1931 zog ihre Familie in die Niederlande nach Amsterdam. Von dort wurden sie und ihre Angehörigen Ende des Jahres 1943 deportiert. Sie überlebte den Holocaust und begann auf Wunsch der britischen Armee mit der Niederschrift ihrer Geschichte einige Tage nach der Befreiung des KZ Bergen-Belsen. In die Niederlande zurückgekehrt, beschloss sie 1954, zusammen mit ihrer Tochter nach Australien auszuwandern, und baute sich dort eine neue Existenz auf. In dieser Zeit entstand nach und nach unter Zuhilfenahme der frühen Aufzeichnungen das vorliegende Buch. Es erschien 2000 in Australien und wurde dort mit dem National Literary Award ausgezeichnet.
Übersetzerin: Mirjam Pressler
[Weltbild/ Beltz (2000)]
Meine Meinung: Ich stehe vor der Herausforderung, meine Eindrücke zu diesem Buch angemessen in Worte zu fassen. Es hat mich zutiefst beeindruckt, stammt es doch von einer Überlebenden des Kinderhauses von Bergen-Belsen. Unglaublich sind die Erfahrungen, die sie dort gemacht hat, die Qualen, die die Kinder durchleiden mussten. Doch gleichzeitig beschreibt das Buch auch die Liebe, das Gemeinschaftsgefühl und den Zusammenhalt, der unter den Gefangenen existierte, und hebt somit auch die schönen Aspekte hervor.
Ich lese immer wieder gerne Bücher aus dieser Zeit, weil sie uns daran erinnern, dass wir die Vergangenheit nicht vergessen dürfen. Sie soll immer wieder neu beleuchtet werden, um zu verstehen, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind, und uns dazu motivieren, ähnliche Entwicklungen in Zukunft zu verhindern. Zugleich übt diese Zeit eine besondere Faszination aus und macht uns demütig angesichts unseres heutigen Überflusses und der Tatsache, dass wir in einer Generation leben, die kaum erlebt hat, was es bedeutet, Hunger zu leiden.
Hetty erzählt von ihrem Überlebenskampf in Bergen-Belsen, von den Strapazen, die sie durchgestanden hat. Sie hat auf ihre Brüder aufgepasst, hat jedoch auch viele Freunde und Familienangehörige verloren. Umso größer ist das Wunder, dass sie am Ende des Krieges mit ihren beiden Brüdern ihre Eltern wiedertrifft und ihre Familie wieder vereint ist. Dies ist nicht zuletzt dem „Engel von Bergen-Belsen“, Schwester Luba, zu verdanken, einer außergewöhnlichen Frau, die unermüdlich für die Kinder kämpfte, obwohl sie selbst schwere Schicksalsschläge erlitten hatte.
Bergen-Belsen liegt nicht weit von meinem Zuhause entfernt, und ich plane, es bald zu besuchen. Ich werde Hetty und die vielen Kinder und Menschen, die dort ihr Leben verloren haben, in meinem Herzen tragen. Wenn man die Bilder der Befreiung von Bergen-Belsen sieht, stockt einem der Atem. Die Leichenberge, die für die Insassen zur traurigen Normalität geworden waren, zeugen von unvorstellbarem Leid, das niemals vergessen werden darf.
Bewertung: 5 von 5 Punkten